Da an anderer Stelle die Verkehrszählung von Jürgen Stemke (Elektroingenieur, aus der Automobilindustrie, der über der Bäckerei wohnt) kontrovers diskutiert wird, und das offensichtlich ohne genau zu wissen, worüber man diskutiert, wollen wir hier etwas Licht ins Dunkel bringen.
Worum geht es?
- die Vordere Schmeidgasse wurde 2021 zur Fußgängerzone
- baulich besteht weiter eine Straßenschlucht mit Trennung in Fahrbahn und Fußweg
- die Fahrzeuge quälen sich nicht mehr im Stau durch die Straße
- Fahrzeuge, die jetzt noch durch fahren, haben „freie Bahn“
- die Frequenz, in der Fahrzeuge fahen, hat sich deutlich verringert
- die gefahrene Geschwindigkeit in der zur Fußgängerzone umgewidmeten Straße hat sich deutlich erhöht
- für Fußgänger & Kinder ist die Fußgängerzone gefährlicher als es zuvor die Straße war
- Fahrzeuge kommen jetzt plötzlich und ggf. unerwartet und mit hoher Geschwindigkeit, statt kontinuierlich und im Stau stehend
- die Fußgängerzone ist für Fußgänger eher mäßig attraktiv
- die Kundenfrequenz in Geschäften ist gesunken, untypisch für eine Fußgängerzone
- die Stadtverwaltung und die Busunternehmen wurden durch Bürger unter anderem in Bürgerforen mehrfach auf das Problem aufmerksam gemacht
- die Situation hat sich nicht verbessert
- es geht darum, dies erneut öffentlich zu machen und von der Stadtverwaltung und der Politik Konsequenzen zu fordern:
Entweder man macht eine richtige Fußgängerzone, oder man gibt die Straße wieder offiziell dem Verkehr frei.
Die jetzige Situation sollte schnellstens verbessert werden, auf die eine oder andere Weise.
Wir möchten gerne Lebenswerte Schmiedgassen, und das nicht erst nach dem ersten toten Kind.
Worum geht es nicht?
- es geht nicht darum, Raser anzuzeigen
- es geht nicht darum, der Stadt beim Verfolgen von Verkehrsrowdys zu helfen, um das Stadtsäckerl zu füllen
Das ist mit den angestellten Messungen auch nicht möglich:
- die Messungen werden anonym durchgeführt, die Täter können damit nicht verfolgt werden
- die Messanordnung ist nicht zertifiziert, das Messergebnis ist für die Verfolgung von individuellen Einzeltätern nicht tauglich, zur Darstellung der Gesamtheit der Messungen und des Trends und der Tendenzen hingegen sehr wohl (eventuelle zufällige Messfehler heben sich bei der großen Zahl der Messungen auf, etc.)
- Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist eine hoheitliche Aufgabe
Dennoch finden wir es erstaunlich, wie viele Menschen solche Kraftfahrer in Schutz nehmen, die Leib und Leben von Mitbürgern und Kindern gefährden. Warum sollte man das tun?
Ausführlich
Die Vordere Schmiedgasse wurde letztes Jahr in eine Fußgängerzone umgewandelt. Das führte dazu, dass PKW nicht mehr fahren dürfen und die Parkplätze weggefallen sind.
Dies wiederum führt dazu:
- die Fahrzeuge quälen sich nicht mehr im Stau durch die Straße
- es besteht weiter eine Straßenschucht mit Trennung in Fahrbahn und Fußweg
- Fahrzeuge, die jetzt noch durch fahren, haben „freie Bahn“
- die Frequenz, in der Fahrzeuge fahen, hat sich deutlich verringert
- die gefahrene Geschwindigkeit in der zur Fußgängerzone umgewidmeten Straße hat sich deutlich erhöht
- für Fußgänger ist die Fußgängerzone gefährlicher als es zuvor die Straße war
Durch die Maßnahme werden Kunden „ausgesperrt“, die bisher mit dem PKW in die Straße kamen. Darauf und auf die Folgen haben wir von Beginn an hingewiesen. Wenn die Umgestaltung ein Erfolg werden soll, muss man diesen Wegfall an Klientel durch neue Klientel kompensieren. Die Fußgängerzone muss für Fußgänger und Radfahrer attraktiv sein. Sonst wird die Straße nicht belebt und das Projekt „Lebenswerte Schmiedgassen“ scheitert.
Aktuel werden durch die Art der Nutzung der Straße Fußgänger weiterhin auf die schmalen Bürgersteige verbannt und ein Queren der Fußgängerzone ist aufgrund des motorisierten Verkehrs nicht immer ganz ungefährlich. Es kam bisher zu mehreren Beinhahe-Unfällen, auch mit Kindern. Auch vor unserem Ladengeschäft wurde mindestens eine Person von einem Bus angefahren. Es kam jedoch nicht zur Meldung bei der Polizei.
Diese Probleme wollten wir gerne mit der Stadt besprechen, um für alle Betroffenen eine Besserung herbei führen zu können.
Wenn man Dinge besprechen will, ist es sinnvoll, Fakten zu kennen. In diesem Fall z.B. den Grad des Verkehrsaufkommens in der Straße. Die Erhebung dieser Daten durch die Stadt wurde bereits bei der Umwandlung der Straße angeregt. Die Stadt wollte die Daten aber nicht erheben. Daher hat Jürgen Stemke nach einer Möglichkeit gesucht, Daten selber zu erheben.
Was wurde gemacht:
Jürgen Stemke ist Dipl.-Ing. der Elektrotechnik und Informationstechnik. Er hat unter anderem bei Siemens und bei Daimler in der Forschung zu selbsständigem, autonomen Fahren von Fahrzeugen in belebter Umgebung gearbeitet und geforscht. Zu Elektronik und zu Sensortechnik sowie zur Programmierung und zu Verkehrstechnik besteht eine gewisse Fachkompetenz.
Es wurde ein kleiner Radarsensor hergenommen, um den Verkehr zu zählen (Typ IPM 165; das ist ein 1-Kanal-Sensor, mit dem Geschwindigkeiten zwischen 1 km/h und 200 km/h gemessen werden können; der Sensor ist von der Dekra zertifiziert und arbeitet auf den in der EU zugelassenen Frequenzen). Der Sensor erfasst dabei nicht nur, ob ein Fahrzeug da ist. Durch den Dopplereffekt des Radar-Echos weiß man bei der Zählung auch die Geschwindigkeit der gemessenen Objekte relativ zur Ausbreitungsrichtung des Radars.
Der Sensor wird mit 5 V betrieben. Das Signal ist so schwach, dass es vor einer Auswertung verstärkt werden muss. Das verstärkte Signal wird dann durch einen Arduino Nano-Computer ausgewertet, mit einem Zeitstempel versehen und auf einer SD-Karte in einer Tabelle gespeichert.
Die Rohdaten sehen dann zum Beispiel so aus:
Threshold;Messung 1;Messung 2;Messung 3;Messung 4;Messung 5;Messung 6;Messung 7;Messung 8;Temperatur;Tag;Zeit;km/h 701; 0,60; 1,17; 1,09; 0,88; 0,71; 0,42; 1,09; 2,02; 7; 14.03.2022; 07:23:02,582; 2,49 708; 0,82; 0,68; 0,00; 3,29; 1,02; 0,75; 0,22; 1,25; 7; 14.03.2022; 07:23:04,584; 4,06 710; 2,78; 0,19; 0,00; 0,00; 0,00; 0,00; 0,00; 0,00; 7; 14.03.2022; 07:23:19,599; 3,44 704; 18,24; 15,62; 21,54; 19,83; 8,55; 18,97; 20,15; 20,66; 7; 14.03.2022; 07:24:03,643; 26,58 704; 2,54; 3,75; 17,85; 11,39; 12,81; 8,32; 6,55; 11,78; 7; 14.03.2022; 07:24:05,645; 22,03 708; 9,51; 16,13; 15,16; 16,86; 14,50; 17,44; 11,71; 16,18; 7; 14.03.2022; 07:24:23,663; 21,52
Threashold ist ein Maß der Empfindlichkeit / die Stärke des Radar-Echos. In dieser Beispielmessung wurden Werte nur dann aufgezeichnet, wenn dieser Wert über 700 lag. Andere Messungen wurden von vornherien schon von der Messtechnik als unsicher verworfen. Wird der Schwellwert überschritten, werden 8 Messungen durchgeführt.
Diese Tabelle der Messungen kann per USB ausgelesen werden und in einem Tabellenprogramm ausgewertet werden.
Auch die Temperatur wird gemessen. Die Zeit für das Messprotokoll wird durch eine Quarzuhr gezählt. Die Schwingung des Quarzkristalls ist von der Temperatur abhängig. Man muss die Uhrzeit also in Abhängikeit der Temperatur korrigieren. Dies ist aber nur für Nerds, Geeks und Langzeitmessungen bei starken Temperaturschwankungen interessant.
Was tut die „Radarfalle“ nicht:
- Aus den Daten in der Tabelle kann man nicht auf individuelle Fahrzeuge oder Fahrer schließen.
- Es wird niemand irgendwo angezeigt, etc. Wie auch. Die Daten werden komplett anonym erfasst.
Wie wurden die Daten ausgewertet?
Man erhält durch die Messstation lediglich eine Liste, wann etwas den Sensor angeregt hat, und mit welcher Geschwindigkeit.
Die Daten wurden in einem ersten Schritt durch einige Rechenmethoden auf Plausibilität geprüft. Aus den oberen Beispiel-Daten bleiben dann schließlich zwei valide Messwerte übrig:
07:24:23; 27 km/h und 07:24:42; 22 km/h
Die Zeilen 4 und 5 im obigen Beispiel messen das selbe Fahrzeug. Der Bus benötigt mehr als 2 Sekunden, um die Messtelle zu passieren, und hat hier den Sensor 2 x getriggert (das passiert bei Bussen oft). Die Zeile 3 zeigt nur einen Messwert bei der 8 Werte umfassenden Messerie. Hier könnte z.B. ein heruntergefallenes Blatt öder ein Ästchen gemessen worden sein. Es ist sicher kein Fahrzeug. etc. pp.
Messergebnisse
Bildet man alle validen Messungen dieser Messserie dann grafisch ab, ergibt sich dieses Bild der gemessenen Geschwindigkeiten über der Zeit (erlaubt ist Schrittgeschwindigkeit (7 km/h)):
Dabei bedeutet:
- Erstes Quartil:
25% der Fahrzeuge waren langsamer als mit 17 km/h unterwegs - Drittes Quartil:
25% der Fahrzeuge waren schneller als mit 30 km/h unterwegs
Das Bild wird deutlich dramatischer, wenn man nur die Kraftfahrzeuge betrachtet. Durchschnittlich am schnellsten waren bei dieser Messserie die Busse unterwegs. Drei Viertel fahren schneller als 24 km/h:
Ab 26 km/h zu schnell kommt man in die Region, bei der man mit Entzug des Führerscheins rechnen muss. An diesem Sonntag wären etwa 10% der Busfahrten davon betroffen, wenn die Stadt offiziell kontrollieren würde.
Auch PKW-Fahrer rasen am Sonntag ähnlich schnell durch die Fußgängerzone. Bei denen kommt die Frage hinzu, ob die da überhaupt fahren dürfen …
Die Messungen wurden manuell Fahrzeugklassen zugeordnet. Dazu wurde der Videostream einer Kamera neben der Messung aufgezeichnet Die Vieoqualität war dabei so, dass Fahrzeuge oder Fußgänger nicht individuell identifiziert werden können. Lediglich Fahrzeugklasse und Farbe konnte zugeordnet werden. Dadurch war eine Zuordnung in Bus, Taxi, sonstiger PKW und Fahrrad möglich, ohne Vorgaben durch den Datenschutz zu verletzen.
Bei den Fahrradfahrern gibt es das Problem, dass der hier verwendete Sensor zu schwach ist, um Radfahrer sicher zu erkennen. Diese werden nur erfasst, wenn sie dicht am Sensor vorbei fahren. Oft fahren mehrere Radfahrer nebeneinander oder hintereinander. Auch dann erfasst dieser Messaufbau nur einen Radler, wenn überhaupt. Real sind etwa vier- bis fünfmal mehr Radler durch die Straße gefahren als der Sensor in dieser Messerie erfasst hat:
Was bei den Radfahrern auffällt ist, wenn ein Radfahrer vor einem Kraftfahrer fährt, dann fährt der Kraftfahrer deutlich langsamer. Das bedeutet, ohne Radfahrer wären die Geschwindigkeitsübertretungen der Kraftfahrer höher.
Bildergalerie: Ausgewertete Messungen der Verkehrszählung, Nacht, Wochenende, Wochentags
Das Problem ist nicht neu. 1912 hat man sich genau diesen Effekt, den Radfahrer hier haben, zu Nutze gemacht, um das Problem zu lösen: In entsprechenden Straßen musste vor einem Fuhrwerk eine Person zu Fuß voraus gehen, um für Sicherheit zu sorgen. Damit fuhr das Fahrzeug automatisch ebenfalls nur Schrittgeschwindigkeit. Heute wird uns sicher etwas besseres einfallen?
Zusammenfassung
- In der Fußgängerzone wird nachweislich sehr schnell gefahren.
- Es sind schon mehrere Beinahe-Unfälle vorgekommen, auch mit Kindern.
- Die Geschwindigkeiten liegen deutlich über Schrittgeschwindigkeit
- Die Geschwindigkeiten liegen deutlich über denen des vorigen, zähen Verkehrs
- Die Fußgängerzone ist so für Fußgänger und Radfahrer nur mäßig attraktiv, der Umsatz in den Geschäften ist entsprechend zurück gegangen, Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz
- Die in der Fußgängerzone gefahrenen Geschwindigkeiten sind lebensgefährlich
- Die Stadtverwaltung und die Busunternehmen kennen das Problem
- Das Problem wird von den zuständigen Stellen ignoriert
Wir in den Schmiedgassen möchten gerne Lebenswerte Schmiedgassen, und das nicht erst nach dem ersten toten Kind.