Wir gehen in die zweite Woche.
Da es nach unserem Besuch bei unserem Bundestagsabgeortneten Herrn Barthle gelungen ist, die CDU/CSU recht schnell zu überzeugen, hängt es nun an der SPD.
Die SPD
Die SPD machte auch in der Bundestagsdebatte vom 13.12.2019 deutlich, dass sie an der Belegausgabepflicht festhalten möchte. Ebenso der neue SPD-Vorsitzende Walter-Borjans.
Daher haben wir uns heute an ihn und die Redner der SPD gewandt und laden diese zu uns ein:
Sehr geehrter Herr Walter-Borjans,
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
Sehr geehrter Herr Schwarz,
Sehr geehrter Herr Binding,Sie stellen uns in Ihrer Rede im Deutschen Bundestag oder in Presseartikeln als vermeintliche Betrüger hin, die jetzt den Umweltschutz entdecken würden. Dagegen möchten wir uns sehr deutlich verwehren!
Wir haben auch überhaupt nichts gegen sichere Kassen, auch wenn wir es unverständlich finden, dass angeblich 1,5 Mio der für 2017 angeschafften Kassensysteme verschrottet und ersetzet werden müssen.
Ihre Vorstellungen zur Belegausgabepflicht sind jedoch in unseren Augen praxisfremd und auch zur Kassennachschau wenig hilfreich. Einige Punkte dazu listen wir in unserem Blog auf: https://www.stemke.gd/belegabgabepflicht-erzwungener-muell-und-klimaschaden/
Ihren Aussagen entnehmen wir, dass Sie schon lange nicht mehr selber beim Bäcker eingekauft haben und keinen Einblick in den Verkaufsprozess haben.
Gerne möchten wir Sie daher zu einem Besuch in unsere Bäckerei einladen, am Besten zum Samstag Vormittag. Dann können wir uns in einem sachlichen Gespräch, mit Live-Einblick in die Arbeitsabläufe an der Theke, zum Thema unterhalten.
Dann können Sie uns auch gerne zeigen, wie sie einen Bon auf eine Brötchentüte Drucken, wenn Sie die Tüte während des Kundengesprächs nach und nach Befüllen und erst am Ende wissen, was wirklich drin ist, oder wenn der Kunde keine Verpackung will (eine Brezel auf die Hand) oder seine eigene Verpackung mit bringt, was immer häufiger geschieht.
Sie können uns dann auch angeben, wie viel länger ein Verkaufsvorgang dauern soll. Daher würden wir uns besonders freuen, wenn Sie an einem Samstag vormittag kommen. Dann können Sie das auch mit unseren Kunden in der Schlange besprechen.
Auch sind wir gespannt auf Ihre Ideen zur Aufbewahrung der 98% ungewollten Bons. Unsere Kunden, die die Bons nicht wollen, wollen, dass wir diese nicht gewollten Bons als Dienstleistung für unsere Kunden an verantwortliche Personen der Politik schicken die wollen, dass die Bons gedruckt werden. Also zum Beispiel an Sie. Dazu liegen uns derzeit 700-800 Unterschriften von unseren Kunden vor. Das dürften mehrere Pakete die Woche werden. Andere Bäcker und Branchen wollen ebenfalls eine solche Dienstleistung anbieten.
Auch geht es um mehr als Umweltschutz. Sie müssen die Bons, die der Kunde nicht will, nach Auskunft des Datenschutzbeauftragen datenschutzkonform vernichten. Sie müssen den Müll handhaben, etc.
Ebenfalls interessiert uns, was wir tun müssen, um keine Kasse führen zu müssen und wie das bei unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen funktionieren soll. Sie geben an, dass keine Kassenpflicht bestehen würde. Unser Steuerberater sagt klar, dass wir keine offene Kasse führen dürfen, sondern eine elektronische Kasse führen müssen. So haben wir 2016 in neue, teure Kassen investiert, von denen wir jetzt nicht wissen, ob wir das System so in 2020 weiter betreiben können. Vor 2017 konnten wir Jahrzehnte alte Kassen problemlos verwenden … und die haben fälschungssicher, komprimiert auf Papierrollen aufgezeichnet …
Mit freundlichen Grüßen,Jürgen StemkePS: Auch haben Sie offenbar nicht mit bekommen, dass die Finanzämter keine Befreiungen ausstellen dürfen (Maulkorberlass), weil sie auf eine bundeseinheitliche Vorgabe warten müssen (obwohl sie doch 3 Jahre Zeit hatten #hust – bitte werfen sie einem Bäcker in seiner Backstube nicht vor, er würde sich mangelhaft vorbereiten, wenn Ihre eigenen Behörden noch schlechter vorbereitet sind!). Auch scheint Ihnen neu zu sein, dass wir auch beim elektronischen Zahlungsverkehr keinen Beleg ausdrucken, weil es der Kunde das so will.PPS: Ebenso möchten wir darauf hinweisen, dass Bäcker bei der Bewertung der Finanzverwaltung im Bezug auf „Hochrisikobetriebe“ mit 2% die kleinste gelistete Randgruppe sind.
Antworten
Update 12 Montag + Dienstag:
Frau Arndt-Brauer und Herr Binding haben geantwortet. Beide gehen sie nicht auf unsere Einladung ein.
Frau Arndt-Brauer „ist bewusst, dass das [die Belegausgabepflicht] mit Sicherheit nicht für alle Unternehmen … die beste aller möglichen Lösungen ist.“
Sie weist auch darauf hin, dass wir ja 3 Jahre Zeit gehabt hätten, uns eine elektronische Lösung auszudenken, die ohne Belege aus käme. Unterm Strich will sie mit dem Gesetz eigentlich nur das Beste für uns, sagt sie sinngemäß. „Wenn diese [steuerunehrlichen Unternehmen] zukünftig vom Markt verschwinden kommt das … steuerehrlichen Unternehmen zu Gute.“
Herr Binding schließt seine Antwort mit einem Vorwurf ab: „Dass Sie nun, drei Jahre nach Beschlussfassung aber drei Wochen vor der Bon-Ausgabepflicht Ihre Umweltargumenten vortragen… kommt Ihnen das nicht auch merkwürdig vor?“
Nun backen wir schon ökologisch, nach Demeter-Richtlinien, da gab es noch gar keine gesetzliche Öko-Verordnung. Unser Betrieb arbeitet praktisch CO2-frei. Wir haben den Umweltgedanken nicht jetzt erst erfunden.
Hätte er unser PS gelesen, hätte er auch der Vorwurf mit den 3 Jahren als Eigentor erkannt. Unsere Zeitleiste sieht so aus:
Wir haben, nachdem wir von unserem Steuerberater am 17.9.2019 informiert wurden und erstmalig von der Regelung erfahren haben, eine Befreiung beantragt, bzw. am 18.9.2019 unseren Steuerberater damit beauftragt und ihm eine Begründung dazu beigelegt. Eine Befreiung, die nach Gesetzestext in unserem Fall eigentlich leicht möglich sein sollte.
Merkwürdig kommt uns vor, dass nach 3 Jahren, die das Gesetz nun alt ist, die Finanzbehörden so einer Befreiung nicht zustimmen können, weil bei diesen noch bundesweiter Abstimmungsbedarf bestehe und es keine Abschätzung gibt, bis wann diese Abstimmungen abgeschlossen sein sollen. Das hätten die Länder in den 3 Jahren doch schaffen können… kommt Ihnen das nicht auch merkwürdig vor?
Wir haben davon am 5.12.2019 erfahren und sind unmittelbar, am 6.12.2019 auf unsere Bundestagsabgeordneten, Herrn Barthle (CDU) und Herrn Lange (SPD), zu gegangen. Mit Herrn Barthle hatten wir daraufhin am 7.12.2019 ein persönliches Gespräch – und wir konnten ihm eine Ladung Bons mit bringen.
Von Herrn Lange liegt uns bis heute leider keine Rückmeldung zur Sache vor. Mehrmaliges telefonisches Nachfragen scheiterte.
Die Feuerwehr
Wir haben beim Kommandanten der Feuerwehr angefragt, ob er bezüglich der Papiermengen Brandschutzprobleme sieht. Das konnte er verneinen. Auch bei der Lagerung müssten wir uns brandschutztechnisch keine besonderen Gedanken machen. Die Feuerwehr in Gmünd sieht die Sache also etwas entspannter als bei dem Bäcker in Berlin.
Sehr viel mehr Sorge bereite der Feuerwehr die Handhabung der gelben Säcke. Diese würden sehr leicht und sehr stark brennen. Problematisch sieht er sowohl die Lagerung in Gebäuden, wie auch das Stapeln das Säcke vor den Gebäuden am Abend vor der Abholung. Da brauche nur einmal ein Mensch eine Zigarettenkippe drauf werfen…
Die Stadt Schwäbisch Gmünd
Die Stadt hat uns für morgen zu einem Gespräch eingeladen. Der Grundtenor ist ebenfalls eine deutliche Ablehnung der Belegausgabepflicht. Die Stadt schätzt, dass etwa 100 Geschäfte besonders viele ungewollte Bons drucken müssen.
Bundesministerium der Finanzen
Das Finanzministerium hat sich per Mail gemeldet, und Antwortet für Herrn Scholz, den wir am 9.12.2019 angeschrieben haben. Das Ministerium erklärt noch einmal, dass es einem frei gestellt ist, das mit Papier oder sonst wie zu machen. Außerdem weißt es darauf hin, dass die Belegausgabepflicht schon in mehreren Staaten Praxis sei.
Ein persönliches Gespräch wird als unmöglich abgelehnt. Dafür sei man mit den Lobbyverbänden in stetigen Austausch. Protestieren dürften wir aber natürlich.
Das Finanzamt
Das Finanzamt Schwäbisch Gmünd teilte uns bereits am Montag mit, dass man weiter keine Aussage machen könne, bis wann das Finanzamt über eine Befreiung entscheiden dürfe. Wenn es dann soweit sei, würden wir angeschrieben werden.
Bon-Papier
Ein Kollege aus NRW hat uns auf neuartiges Thermopapier hingewiesen, das ohne Chemie aus kommt und im Altpapier entsorgt werden darf. Wir haben ein paar Kartons bestellt und sind gespannt, wie gut diese funktionieren.
Die Öko-Bons kosten in etwa 50% bis 100% mehr als übliche Chemie-Bons.
Update 13 Mittwoch
Wir haben auf dem Rathaus mit der Stadt die Zahlen zum Bon-Müllaufkommen überschlagen. Ganz grob kommen wir auf rund 20 t zusätzlichen Restmüll im Jahr. Alleine die Abfallgebühren dafür betragen 26.000€. Das zahlen die Bürger in Gmünd.
Die Stadt schätzt, dass etwa 10-20 zusätzliche öffentliche Mülltonnen benötigt werden könnten. Zudem will sie die Brandgefahr überprüfen, insbesondere da die aktuellen Tonnen einen Aschenbecher oberhalb der Restmülltonne angebracht haben.
Das Rathaus will sich auch an unserer Unterschriftenaktion beteiligen.
Eine tolle Nachricht nebenbei: Der Klimabeauftrage der Stadt konnte mir mitteilen, dass die Stadtwerke ab 2020 für Neuverträge grundsätzlich Ökostrom als Standard anbieten werden, nicht Graustrom, wie bisher. Wer also CO2-Strom haben will, muss sich aktiv dafür entscheiden und den Klimaschutz abwählen.
Als ich ein solches Vorgehen im April 2019 in einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister vorgeschlagen hatte, traf dieses Ansinnen noch auf Ablehnung. Jetzt geht es doch! \o/
Da soll mal einer sagen, mit der Politik oder der Verwaltung zu sprechen würde nichts bringen!
Update 14 Donnerstag
Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus unserem Wahlkreis, Christian Lange, wird uns am 13.01.2020 besuchen. Ansonsten verwies die Mail mit dem Terminvorschlag auf das Schreiben von Herrn Binding; siehe oben.
Update 15 Freitag
Finanzverwaltung
Die Finanzämter widerrufen wohl bereits genehmigte Freistellungen von der Belegausgabepflicht.
Bundesregierung
Die Bundesregierung insgesamt verteidigt das Gesetz. Es soll nur wenige Ausnahmen geben und keine generellen Freigaben für bestimmte Branchen.
Für Befreiungen soll aber auch explizit der Umweltschutz als annehmbarer Grund gelten, da dieser für die Bundesregierung ein wichtiges Ziel darstellt.
Bäckerinnung
In der Bäckerinnung wird diskutiert, Kartons mit ungewollt gedrucken Bons LKW-Weise an die Abgeordneten in den Bundestag anzuliefern.
Des Weiteren möchte man sich weiter für eine generelle Befreiung der Bäcker aus Umweltschutzgründen stark machen.
SPD
2015: Die SPD kauft sich in einen Kassenhersteller ein, der ihr inzwischen zu knapp 50% gehört: LocaFox POS.
2016: Die SPD macht mit dieses neue Kassen-Gesetz inklusive Bonausgabepflicht, bei dem mutmaßlich bis zu 1,5 Mio Kassen in Deutschland ersetzt werden müssen.
Wir haben Fragen.
Der fragliche Kassenhersteller ist telefonisch nicht erreichbar. Der Telefoncomputer verspricht zwar einen Rückruf, bis dato ist der jedoch nicht erfolgt.